Am Donnerstag, den 22. Oktober 1953 saß ich in der 7. Klasse der Gorch Fock Schule. Wir baten unsere Lehrerin, ob wir nicht an den Strand runter laufen dürften, denn der größte Turbinentanker der Welt, die „Tina Onassis“ würde zum erstem Mal Blankenese passierend zur Werftprobefahrt auslaufen.
Der Stapellauf im Sommer, am 25. Juli 1953, war für ganz Hamburg das Großereignis des Jahres gewesen. 15000 Menschen waren als Gäste allein auf das Werftgelände der Howaldtswerke Hamburg am Roßhafen geladen und rundherum im Hafen und auf den vielen Barkassen waren noch weitere 10000 Menschen.
Fünf Jahre nach der Währungsreform baute man in Hamburg wieder Großschiffe, dies erfüllte viele Hamburger mit Stolz und Genugtuung. Deutschland ist wieder wer. Dieses Ereignis war in Hamburg bedeutender als der Sieg der Fußballweltmeisterschaft ein Jahr später. Das Hamburger Abendblatt berichtete über jeden Schiffneubau, dafür sorgte schon ein tüchtiger Schifffahrtsredakteur mit Namen Peter Tamm.
Die Taufe des Schiffes übernahm die kleine Christina Onassis:“ Ich taufe dich auf den Namen meiner Mutti“ und dann drückt sie auf dem Knopf und eine Champagnerflasche zerschellte am Bug. Alle Schiffe im Hafen tuteten und heulten mit den Typhonen und Dampfpfeifen Salut und langsam glitt der Riesenleib des Schiffes zur Erleichterung der Erbauer ohne Probleme ins Wasser. Die „Tina Onassis“ schwamm.
Dem Joch der Schule entronnen, trafen wir uns entlang der Elbe. Wie üblich ließ das Schiff auf sich warten und dann kam es endlich in Sicht. Die 236 m lange „Tina“ schob sich langsam durch das Elbwasser an der staunenden Menschenmenge am Elbufer von Blankenese vorbei. So ein großes Schiff hatten wir noch nie gesehen. Sicherlich, das Passagierschiff „Italia“ mit ihren zwei Schornsteinen kam regelmäßig nach Hamburg, aber die „Tina „, war doch was Besonderes. Vollbeladen hatte die „Tina Onassis“ eine Wasserverdrängung von 58 514 t und konnte 44 720 t Öl laden. 1953 waren die größten Tanker etwa 17 000 t groß und nun bald das Dreifache bei der „Tina“. Die 62 Männer der Besatzung wurden in komfortablen Einmannkabinen untergebracht.
Der türkisch-griechische Tabakhändler und spätere Großreeder mit argentinischem Pass, Aristoteles Onassis, war damals weltweit bekannt. Aus armen Verhältnissen stammend, war er nach dem Krieg mit glücklicher Hand in die Schifffahrtsbranche eingestiegen und hatte es in kürzester Zeit zum vielfachen Millionär gebracht. Das war der Stoff, aus dem Träume gemacht wurden und die Presse berichtete weltweit über die Familie Onassis.
Ein Jahr später, am 5. Juni 1954, lief das Schwesterschiff mit dem sperrigen Namen „ Al-Malik Saud Al-Awal“ wieder bei Howaldt in Hamburg gebaut vom Stapel. Das erregte aber bei weitem nicht das Aufsehen. Das war nun schon nicht mehr interessant, denn auch auf anderen Werften wurden jetzt solche Riesentanker gebaut. Aber nie hätten wir uns damals vorstellen können, dass es 30 Jahre später Supertanker geben würde, die über acht Mal größer waren, wie unsere„Tina.“
Bis Mitte der 1970er Jahre gab es ein besonders starkes Wachstum im Tankerbau, welches dazu führte, dass kleinere Tanker wie „Tina Onassis“ unwirtschaftlich wurden. Die Tina Onassis kam am 3. September 1975 in Kaohsiung auf Taiwan an, wo sie abgebrochen wurde.
Heiner Fosseck
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